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Sperrstunde Salzburg: Selbst Aschenputtel würde lachen

KOMMENTAR

Gleich vorweg: Ich bin kein Corona-Leugner. Ich trage auch bereitwillig Mund-Nasen-Schutz, wo es sinnvoll erscheint, wasche mir brav die Hände und „mache mit”. Aber was derzeit in Westösterreich an Verordnungen und Beschränkungen auf die Menschen einprasselt, geht dann doch zu weit. Wie der Erlass, Restaurants um 22 Uhr zu schließen.

Neulich Abend: Ich treffe mich mit einer Freundin zum gemütlichen Abendessen in einem Restaurant. Durch den typischen (und die zahlreichen, etwas unkoordiniert wirkenden Baustellen derzeit noch verstärkten) Salzburg-bei-Regenwetter-Stau spät dran, haste ich in letzter Sekunde zum vereinbarten Treffpunkt.

Bewaffnet mit Handtasche und Regenschirm, vor der Eingangstür der erste K(r)ampf: Maskenpflicht gilt ja auch für Restaurants, schießt es mir durch den Kopf. Ich beginne, den Schirm jonglierend über dem Kopf haltend, mit einer Hand mein neuestes „Must-Have“ aus der Tasche zu finden. Kurzes Aufatmen: Das Ding ist dabei. Beim Anlegen des verordneten Accessoires, ohne dabei sprichwörtlich „im Regen zu stehen“ wird es schon schwieriger, bewältige ich aber auch noch irgendwie. Fertig adjustiert, darf endlich das Lokal betreten werden. Mit durch das Regenwetter ohnehin leicht vonstatten gehenden, aber durch Maske stark verstärkt, angelaufener Brille warte ich – durch die Maske erschwert atmend – auf das Platzieren am, wie sich herausstellt, ohnehin nur drei Meter vom Eingangsbereich entfernten Tisch.
Erste Erleichterung darf sich einstellen: Tisch erreicht, Maske runter. Ziemlich viel Action für die drei zurückgelegten Meter, aber so weit so gut. Der gemütliche Teil des Abends kann endlich beginnen.

Weniger gut und gemütlich wird es nach dem in bester Gesellschaft und mit feinen Gesprächen genossenen Abendessen. Um 21 Uhr 20 platzt der freundliche Kellner in die Konversation und avisiert die „letzte Runde“. Gut, ich hätte früher kommen können, aber 19 Uhr ist, beziehungsweise mittlerweile war, nun wirklich eine adäquate Zeit, um sich zum Abendessen zu treffen.

21 Uhr 50: Der Countdown läuft

21 Uhr 40: Der Servicemitarbeiter wirkt schon etwas nervös und beginnt die ersten Tische abzurechnen. Bis 21 Uhr 50 haben auch wir unsere Konsumation beglichen. Leichte Hektik breitet sich unter den Gästen aus. Allgemeine Aufbruchstimmung macht sich breit. Dazwischen: Immer wieder der Blick auf die Uhr. Der Countdown läuft. „Ein bisschen wie Silvester“, lacht meine Freundin, während ich versuche, mein übriges Mineralwasser körperlich noch „mitzunehmen“. Leichter Unmut steigt in mir auf und ich beginne zu überlegen, wann mich das letzte Mal jemand um 22 Uhr nach Hause geschickt hat. „Das war mit 16“, fällt mir ein, während ich beginne, mich für die drei Meter Weg aus dem Lokal zu adjustieren. Also Mundschutz wieder rauf.

Vor dem Lokal, es ist 21 Uhr 55, sind die Mitarbeiter damit beschäftigt, den Außenbereich abzuräumen. „Es tut mir leid“, entschuldigt sich die freundliche Dame zum Abschied und ergänzt: „Wir müssen so pünktlich sein, denn spätestens um 22 Uhr 10 fährt hier regelmäßig die Polizei vorbei und kontrolliert die neue Sperrstunde.“ Mit einem „Mir tut es leid für Sie, das ist für Gastronomen ja der unternehmerische Wahnsinn“, entledige ich mich meines Mundschutzes. Im Freien muss man ihn in Salzburg ja nicht tragen. Zumindest noch nicht.

Sogar Aschenputtel würde über die Salzburger lachen

„Sogar Aschenputtel musste erst um Mitternacht zu Hause sein“, zische ich ärgerlich meiner Freundin am Weg zum Auto zu. Mit einem „Ja, sogar die würde über uns Salzburger lachen“ verabschieden wir uns. Natürlich ohne Bussi, nur mit österreichischem „Baba“.

Abendessen mit „fadem Geschmack“

Was bleibt, sind – trotz herrlichem Abendessen – ein „fader Geschmack“ und die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Verordnung. Nach einem leichten Infektionsanstieg Ende September 2020 und der verhängten Reisewarnung der deutschen Regierung für Wien, Tirol und Vorarlberg wurde die 22-Uhr-Sperrstunde von der Salzburger Landesregierung für den Zeitraum von 25. September bis 16. Oktober ins Leben gerufen. Den damit einhergehenden, schleichenden Tod mancher Gastronomen nimmt man hierfür in Kauf.

Fragliche Idee zur Rettung des Wintertourismus

Gerechtfertigt wird diese Maßnahme damit, dass eine Reisewarnung von Deutschland für Salzburg um jeden Preis vermieden werden soll. Einen Preis, den nun nicht nur die heimische Gastronomie bezahlt, sondern dessen Sinnhaftigkeit eindeutig in Frage gestellt werden darf.

Dass das Feiern in Nachtlokalen zurzeit bedenklich ist, kann man nachvollziehen. Überfüllte Bars mit Menschen in Feierlaune tragen sicher nicht zur Eindämmung der Pandemie bei. Da dürften sich die meisten einig sein. Das wird auch von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert.

Aber 22-Uhr-Sperrstunden in Restaurants? Essenslokale, die ihre Tische ohnehin bereits auf den Platz mit gesetzlichen Mindestabstand reduzieren mussten, in denen man nur im Sitzen konsumieren darf und in denen das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes beim Verlassen des Platzes vorgeschrieben ist? Sorry, aber das geht eindeutig zu weit und ergibt keinen Sinn. Ob man dort erlaubte drei, vier oder eventuell – sich jetzt nicht mehr ausgehende – fünf, sechs Stunden verbringt, macht einfach keinen Unterschied.

Salzburger Landesregierung rudert wenigstens bei Hotellerie zurück

Es ist eine Verordnung, die nicht nur bei den betroffenen Gastronomen für Unmut sorgt, sondern auch in der Bevölkerung auf wenig Zuspruch stößt. Dies scheint auch bei der Landesregierung angekommen zu sein. So ist die Salzburger Landesregierung wenigstens im Bereich der Hotellerie bald zurückgerudert. Nun „dürfen“ Hotelgäste bis 01 Uhr morgens in den jeweiligen Beherbergungsbetrieben konsumieren. Diese Sonderregelung der zahlreichen, mittlerweile schier unüberschaubaren Regeln gilt auch in Vorarlberg. Gäste in Tirol hingegen werden nach wie vor um 22 Uhr ins Bett geschickt – unabhängig davon, ob sie im Hotel nächtigen oder nicht.

Ob dieser Dschungel zahlreicher, unterschiedlicher Verordnungen wirklich dazu beiträgt, den Wintertourismus zu retten, darf bezweifelt werden. Wohl ebenso wie das Beenden der vorerst auf drei Wochen befristeten 22 Uhr-Sperre am 16. Oktober 2020.

Jugend frönt Lebenslust derweilen auf Hauspartys

Und die Jugend? Die hat das Ausleben ihrer Lebenslust mittlerweile wieder auf Hauspartys verlagert und frönt dort, abseits der Gastronomie und staatlicher Kontrollmöglichkeit, ihrer Sehnsucht nach Geselligkeit. Ein Umstand, den man ihr nicht wirklich verübeln kann. Menschen wollen gemeinsam Dinge erleben, lachen, feiern. Junge Menschen erst recht. Nimmt man ihnen jegliche Möglichkeit, dem wenigstens im geregelten Ausmaß anderweitig legal nachzukommen, verlagern sie ihr soziales Leben halt in den privaten Bereich. Ob dies Sinn der Sache sein kann, sei ebenfalls dahingestellt. Unterbinden wird man es nur schwer können.

Leben mit dem Virus als neue Realität

Es wäre schön, wenn Regierung und Landespolitik vom eingeschlagenen Weg, der sich immer mehr als Sackgasse entpuppt, abweichen würde. Ihn verlassen und eine neue Richtung mit dem Fokus auf die neue Realität, einem „Leben mit dem Virus“, einschlagen würden. Aber davon sind wir leider weit entfernt. Statt Verordnungen, die nichts gebracht haben, wieder aufzuheben, werden diesen lediglich weitere hinzugefügt.

Es wäre an der Zeit, dass ein Umdenken stattfindet. Verordnete Maßnahmen wieder nachvollziehbar werden und in ihrer Verhältnismäßigkeit stimmig sind. Nur so kann das vielerorts bereits verlorene Vertrauen in die Politik und den von ihr hervorgebrachten Verordnungen wieder aufgebaut werden.

Zurzeit hat man eher das Gefühl, in Österreich sei man in der Causa Covid-19 „losgesprungen wie ein Löwe und gelandet wie ein Bettvorleger“.


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