Salzburg

Hilferufe aus den Salzburger Frauenhäusern

Beinahe ungehört verhallen derzeit verzweifelte Hilferufe aus den Frauenhäusern in Salzburg und Hallein. Diesmal stammen sie nicht von den dort schutzfindenden Frauen und Kindern, die, meist schwer traumatisiert, hier auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Gewalt vorbereitet werden. Es sind die Mitarbeiterinnen selbst, die händeringend um Unterstützung bitten.

„Wir sind wirklich verzweifelt. Und nach all den Jahren unermüdlichen, engagierten Einsatzes ist es wie ein Schlag ins Gesicht“, erklärt Doris Weißenberger, Leiterin des Frauenhauses Hallein und ergänzt: „Zudem wird hier eine Machtdemonstration auf Kosten der Ärmsten und Schwächsten ausgetragen. Auf Menschen hingetreten, die ohnehin bereits am Boden liege. Das macht einen wirklich ratlos“.

Grund der Verzweiflung ist Neos-Landesrätin Andrea Klambauer. Ohne Vorinformation und ohne jeglichen fachlichen Austausch mit den Frauenhausexpertinnen will sie mit einer EU-weiten Ausschreibung das Rad des Gewaltschutzes in Salzburg neu erfinden.

Keinerlei Erfahrung für neuen Frauenhaus-Betreiber nötig

Bewerben kann sich übrigens jeder und jede. Denn der neue Betreiber muss keinerlei Erfahrung in der Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen mitbringen.

Ob es bei diesem Verfahren langfristig überhaupt Gewinner geben wird, ist höchst fraglich. Klar ist lediglich, dass durch diese Ausschreibung und Neuvergabe die seit 30 Jahren bestehenden, autonomen Häuser „zerschlagen“ werden. Dass die Strukturen vor Ort zu Nichte gemacht und alle Mitarbeiterinnen gekündigt werden.

Die Debatte darüber, wie man regional gut verankerte Institutionen, die vor Ort so große Unterstützung der heimischen Bevölkerung genießen, europaweit ausschreiben kann, ist freilich nicht neu. Sie erreichte vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie ihren letzten Höhepunkt. „Wir haben uns eigentlich gedacht, dass die weltweite Krise, und vor allem die danach auch von der Politik initiierten Aufrufe zu mehr Regionalität und Unterstützung der heimischen Wirtschaft dazu führen wird, gerade solch von Beginn an umstrittene Entscheidungen zu überdenken“, erklärt Weißenberger.

Ausschreibung moralisch und wirtschaftlich gesehen umstritten

Umstritten ist dieses Unterfangen nicht nur in moralischer Hinsicht. Auch von wirtschaftlicher Seite betrachtet wirft diese EU-weite Ausschreibung zahlreiche Fragen auf. Unklar ist auch, warum lediglich zwei der drei in Salzburg bestehenden Frauenhäuser plötzlich neu aufgestellt werden soll. Jenes im Pinzgau, das, mit EU- und Landesmittel finanziert, gerade im Entstehen ist, soll vom bisherigen Verein weitergeführt werden.

Ans Tageslicht gekommen ist das Festhalten an der Idee, die beiden Salzburger Frauenhäuser wahrlich in allen EU-Ländern auszuschreiben, durch einen Bericht in den Salzburger Nachrichten vom Samstag, 6. Juni 2020.

Wie bereits bei vergangenen Ankündigungen ließ auch jetzt der Aufschrei nicht lange auf sich warten. Neben der SPÖ-Bundesfrauenvorsitzenden Gabriele Heinisch-Hosek äußerte – unter anderem – auch FPÖ-Familiensprecherin LAbg. Karin Berger öffentlich ihren Unmut. In einem Facebook-Posting kritisiert sie mangelnden Gegenwind aus der Landesregierung und weist erneut darauf hin, dass die Ausschreibung in ganz Österreich ein absolut unübliches und unerwünschtes Novum sei. Die Aktion ernte zum Beispiel auch in Deutschland, wo es immerhin 360 Frauenhäuser gibt, nur Kopfschütteln.

Heinisch-Hosek an Klambauer: In der Krise Frauenhäuser auszuschreiben ist ein NoGo!

Auch Heinisch Hosek nimmt sich kein Blatt vor dem Mund: „Gerade jetzt in der Krise zwei von drei Salzburger Frauenhäusern EU-weit auszuschreiben und damit funktionierende bestehende Strukturen zu zerschlagen, halte ich für ein echtes NoGo. Ich fordere weiterhin ein Zurück an den Verhandlungstisch gemeinsam mit den Salzburger Frauenhausvertreterinnen!“, erklärt sie in ihrer Aussendung.

Ein Aufruf, der bei den Vertreterinnen der Salzburger Frauenhäuser auf offene Ohren stößt: „Wir würden uns natürlich freuen, wenn Frau Klambauer echtes Interesse zeigen würde. Bislang haben wir das schmerzlich vermisst. Frau Klambauer war etwa noch nie in einem der beiden betroffenen Häuser, um sich ernsthaft über die Frauenhausarbeit zu informieren. Sie konnte sich also gar kein Bild unserer engagierten Arbeit machen“, meint Weißenberger.

Aber auch in weiteren Teilen der Presseaussendung spricht Heinisch-Hosek den Leiterinnen der Frauenhäuser aus dem Herzen. So moniert sie: „Wir kritisieren – so wie die ExpertInnen und tausende UnterstützerInnen einer Petition – seit Anfang der Debatte, dass Landesrätin Klambauer gut funktionierende Strukturen ausschreiben will“.

Gut funktionierende Strukturen, die durch jahrelange Arbeit engagierter Mitarbeiterinnen entstanden sind. „Ein Frauenhaus kann man nicht mit einem herkömmlichen Unternehmen vergleichen, wie Landesrätin Klambauer es versucht. Wir sind Kriseneinrichtungen. Bei uns geht es um Vertrauen, Netzwerke, Empathie und das durch jahrelange Erfahrung erworbene Wissen, wie in Akutfällen am besten geholfen werden kann“, erklärt Weißenberger und ergänzt: „Dass, wie in der Ausschreibung vorgesehen, in der Thematik oder vor Ort völlig unerfahrene Trägerorganisationen am Schreibtisch Projekte entwerfen und dann umsetzen funktioniert sicher nicht.“

In den Frauenhäusern ist bereits jetzt großer Schade entstanden

Das Vorhaben Klambauers hat bereits im Vorfeld viel Schaden angerichtet. Nicht nur, dass in den vergangenen Jahren ihrer Amtszeit viele Mittel – wie etwa jene Überbrückungshilfen für Frauen die vorübergehend nicht einmal Geld für Essen oder Medikamente haben – gestrichen wurden. Auch das so mühsam über viele Jahre aufgebaute Vertrauen in die beiden Frauenhäuser wurde durch die anhaltenden, politischen Attacken gestört.

„Es wurde unter anderem die Herausgabe sensibler Daten der Frauen gefordert. So etwas bleibt nicht unbemerkt. Von Gewalt betroffene Frauen wurden da massiv verunsichert. Die Folge war, dass die Auslastung der Frauenhäuser Hallein und Salzburg plötzlich unverhältnismäßig gesunken ist, während die Frauenhäuser in anderen Bundesländern voll sind. Besonders in der jetzigen Krisenzeit haben wir diese Auswirkungen mit großer Sorge beobachtet“, erklärt Weißenberger.

Salzburger Frauenhäuser hoffen bis zuletzt auf eine Wende

Geben die Hoffnung auf eine gute Lösung für alle Beteiligten nicht auf: Doris Weißenberger, Leiterin vom Frauenhaus Mirjam in Hallein und Birgit Thaler-Haag, Leiterin des Salzburger Frauenhauses (v.li.n.re.).
Foto: Privat

Ob sich Neos-Landesrätin Andrea Klambauer von dem erneuten Aufschrei von ihren „neoliberalen Ansätzen“ in diesem so sensiblen Bereich abbringen lässt und sich so in ihrer Funktion als Salzburger Frauenlandesrätin für eine Politik für Frauen und für Salzburg entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser wollen auf alle Fälle die Hoffnung noch nicht aufgeben.

Salzburger Frauenhäuser: Nähere Infos und Petition

Die Leiterin vom Frauenhaus Mirjam, Doris Weißenberger, im Interview

Petition: Stoppt die Ausschreibung der Frauenhäuser in Salzburg

Unabhängiges Unterstützungsnetzwerk „JA zu Salzburgs Frauenhäusern!“ auf Facebook

Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser AÖF

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.